Netzneutralität ein Kommentar | @glob3x

Von Zeit zu Zeit liest man immer wieder Artikel, Tweets etc. bei denen sich einem schon nach wenigen Worten die Nackenhaare aufstellen.


So geschehen auch heute und ich muss meinen Ärger darüber doch mit ein paar mehr Worten als auf Twitter loswerden.

Die Deutsche Telekom AG twitterte heute:

* Link aus dem Tweet: https://t.co/74faoOkZLt

Der Artikel dazu auf der Webseite der Telekom ist schnell zusammengefasst:

Es sind zwei Studien verlinkt, die von großen Eyeballs in Auftrag gegeben wurden. Hier wird mit diversen Zahlen umhergeworfen, aber um die soll es eigentlich auch gar nicht gehen.

Das erste und größte Problem an der Forderung “Internetunternehmen für ihren Traffic zahlen zu lassen” sehe ich vorab bei der Dienstleistung selbst. Als Endkunde bezahle ich meinen Internetanbieter für den Zugang zum Internet und eben all seinen Diensten - egal wo und von wem diese gehostet sind. Ich verursache den Traffic als Nutzer und nicht das Unternehmen über das ich Content beziehe. Netzneutralität sollte dabei immer gewährleistet sein. Im Ländervergleich ist das deutsche Internet sehr teuer und die eingesetzten Technologien waren in der Vergangenheit (und auch aktuell) nicht optimal - dennoch kann am Konzept eines Eyeball Providers dann etwas nicht so ganz stimmen, wenn man mit seinen Kunden die Kosten nicht decken kann und diese dann an Unternehmen weitergeben muss, die eigentlich mit dafür verantwortlich sind, dass eigene Kunden überhaupt Bedarf an der eigenen Dienstleistung verspüren. Dass der Netzausbau jetzt so teuer wird, verdanken wir (damals schon) alten weißen Männern die auf die falschen Technologien gesetzt haben - aber warum sollen nun Andere dafür zahlen? Btw: Auf den Tweet der Telekom gibt es sehr viele schöne Antworten mit ähnlich unpassenden Vergleichen.

Tatsächlich ist die Forderung der Telekom bei fast allen deutschen ISPs eigentlich schon Realität. Ein eigener Upstream Port zur Telekom oder die Telekom Routen via einem Tier-2 Upstream sind fast schon Pflicht um Kunden im Telekom Netz guten Gewissens bedienen zu können. Verbindungen über andere Tier-1 Provider zur Telekom sind mehr oder weniger ein Glücksspiel. Hier schlägt die Telekom aktuell mit 4-5x so hohen Preisen wie derzeit marktüblich zu. Der Wunsch der Telekom ist hier Pflicht und muss teuer bezahlt werden - aber immerhin zahlen beide Seiten. Der Kunde und der Provider welcher Content an den Kunden liefern möchte. Gegebenenfalls ist es auch einfach keine gute Idee als Eyeball Provider ein Globales Tier-1 Netz zu betreiben?

Bei den großen 6 hat man sich diesen Schritt allerdings noch nicht recht getraut, da es glücklicherweise keine gesetzlichen Regularien gibt und eben auch die eigenen Kunden sehr unzufrieden wären, wenn nun eben der Netflix Film ewig buffern würde oder man eine Webseite nicht in annehmbarer Zeit aufrufen könnte.

Das große Problem sehe ich allerdings, wenn es wirklich Regularien in dieser Richtung geben sollte. Wie könnte das funktionieren und was passiert mit Traffic von Unternehmen die nicht dafür bezahlen? Wenn es in diese Richtung geht, wird es wohl kaum bei den “Verursachern” des Löwenanteils bleiben, die zur Kasse gebeten werden. Wie soll ich das als Kunde bewerten? Kann ich dann mit einem Startup was sich den Eyeball Transit nicht leisten kann, nicht mehr oder nur depriorisiert kommunizieren? Das war es dann leider endgültig mit jeglicher Netzneutralität und das Internet wird ein noch schlechterer Ort als er es ohnehin über die Jahre wurde. Sollte dies wirklich gängige Praxis werden oder sogar regulatorisch unterstützt werden, würde das bestehende und funktionierende Ökosystem des Internets so nicht mehr weiter bestehen. Konzepte/Strategien wie Peering mit Eyeballs würden sogar obsolet.

Es gibt so viele Beispiele von lokalen Providern die FTTH Ausbau vorantreiben, offen peeren und scheinbar auch kostendeckend oder gar mit Gewinn arbeiten - meistens haben die aber keine Aktionäre ;)

Und immer daran denken: Jedes nicht bezahlte Mbit ins Telekom Netz schadet dem Klima.

Just my 2 cents.